Sie haben vor neun Jahren bei Twitter geschrieben, dass KI entweder die beste oder die schlimmste Sache aller Zeiten und die Technologie mit der höchsten Volatilität sein werde. Hat sich Ihre Vorhersage inzwischen erfüllt?
Heute bin ich deutlich zuversichtlicher als noch 2014. Damals vermutete ich, dass die KI bestimmte Spiele immer besser beherrschen würde, bis sie irgendwann besser als der Mensch wäre. Und das erschien mir nicht gerade verheißungsvoll. Doch heute haben wir Systeme, bei denen wir immer genau wissen, wie sie vorgehen.
Trotzdem müssen wir extrem wachsam bleiben. Es gibt ein echtes Risiko, doch dank der harten Arbeit von OpenAI und anderer AGI-Entwickler erzielen wir auch große Fortschritte.
Wie bewerten Sie die diversen Bedenken hinsichtlich KI?
In gewisser Weise kann ich sie nachvollziehen. KI ist eine lernfähige Software, deren Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie kann immer komplexere Aufgaben übernehmen und immer kompliziertere Probleme lösen. Das wird die Arbeitswelt von Grund auf verändern. Zumindest aber werden Abläufe beschleunigt und die Möglichkeiten der Einzelnen drastisch erweitert.
Was machen Sie bei OpenAI anders als bei Ihren bisherigen Unternehmen?
Einige Dinge lassen sich zwar vergleichen. Ich bevorzuge es aber grundsätzlich, mir einen frischen Blick zu bewahren und mich auf die jeweilige Aufgabe zu konzentrieren. So haben wir uns bei OpenAI beispielsweise den Ratschlägen unseres Investors Y Combinator widersetzt. Wir nahmen uns viereinhalb Jahre Zeit für die Produkteinführung und wussten anfangs gar nicht, für wen wir das alles machten und was das überhaupt sollte. Das hat uns bei der Entwicklung von ChatGPT geholfen und es uns ermöglicht, letztlich einen echten Mehrwert anzubieten.
Mit welchen Herausforderungen hatten Sie bei OpenAI zu kämpfen?
Die Anfangszeit war sehr schwierig. Unsere Produkte funktionierten nicht und in der Branche rümpfte man die Nase über uns. Doch dann gelang es uns, mit Projekten wie Dota erste Erfolge zu erzielen. Dadurch bekamen wir zwar Geld von Microsoft für GPT, kamen aber auch nicht wirklich weiter und wurden von der Konkurrenz überflügelt. Nur dank unserer Begeisterung für KI haben wir damals überhaupt weitergemacht.
Da es auch noch keinen Kundenstamm gab, mussten wir außerdem noch einmal damit beschäftigen, wie man überhaupt ein Forschungslabor führt und die entstandene Dynamik in Gang hält. Um nicht ganz den Überblick zu verlieren, mussten wir uns außerdem um externe Kontakte kümmern, da wir ja noch gar kein Kundenfeedback bekamen.
Welchen Schwerpunkt setzt OpenAI mit Blick auf Produkte und Forschung?
Derzeit entdecken wir laufend neue Möglichkeiten, sodass sich unsere Strukturen ständig verändern. Unser Anspruch ist es, die Suche nach der Wahrheit fest in unserer Firmenkultur zu verankern. Wir wollen, dass die KI-Branche insgesamt erfolgreich ist, ganz gleich ob mit unserem Produkt oder einem anderen. Das ist unsere Richtschnur.
Welche Funktionen gefallen Ihnen bei ChatGPT selbst am besten?
Am besten gefällt mir die Benutzerschnittstelle. ChatGPT kommuniziert so direkt und natürlich, dass es sich auch für die Vermittlung komplexer Konzepte eignet. Inzwischen wird KI sogar in der Lehre verwendet. Mit Blick auf Stripe wird ChatGPT dabei unter anderem als Suchassistent genutzt. Denn die KI findet schnell die gewünschten Daten und steigert damit die Produktivität.
Wir wünschen uns, dass die KI-Branche erfolgreich ist, ganz gleich ob mit unserem Produkt oder einem anderen. Die beste Lösung wird sich am Ende durchsetzen.
Wie geht es mit OpenAI weiter?
Neben unseren neuen Produkten dreht sich bei uns momentan viel um die technologische Entwicklung, etwa im Bereich Multimodalität. Wir wollen ein System erschaffen, das nicht nur mit Text, sondern auch mit Ton-, Bild- und Videosignalen interagieren kann. Und langfristig peilen wir ein System an, das sogar neues Wissen erzeugen kann.
Wie ist aktuell die Wettbewerbssituation in der KI-Branche?
Der Wettbewerb macht uns kreativer. Genau wie im Sport oder beim Wettstreit zwischen Apple und Microsoft in den Anfangsjahren des Computerzeitalters wollen einerseits alle die Konkurrenz überflügeln. Andererseits sind sich alle Beteiligten auch darüber im Klaren, was auf dem Spiel steht, und wollen KI in den Dienst der Gesellschaft stellen.
Das begünstigt wiederum den gegenseitigen Respekt und die Zusammenarbeit, die viel intensiver ist als in der Technologiebranche ansonsten üblich. Die Kooperation erfolgt vor allem zwischen den führenden KI-Entwicklerinnen und -Entwicklern, bezieht aber zunehmend auch Staaten und Aufsichtsbehörden mit ein. So arbeitet beispielsweise die Internationale Atomenergie-Organisation gerade an einem eigenen KI-System. Unserer Meinung nach sollten solche Systeme aber grundsätzlich reguliert werden.
Welche Entwicklungen wünschen Sie sich im Bereich KI?
Ich fände neue Schnittstellen interessant, die über herkömmliche Chatbots hinausgehen. Außerdem finde ich es spannend, wie KI im Bildungswesen eingesetzt wird. Das dürfte in Zukunft noch viel weiter gehen.
Mit Stripe arbeiten wir in extrem vielen vertikalen Märkten mit SaaS-Unternehmen zusammen, die Programme für Nischensegmente entwickeln, die trotzdem sehr beliebt sind. Eines dieser Unternehmen hat beispielsweise eine Verwaltungssoftware für die Pfadfinderorganisation entwickelt, worauf ich selbst nie gekommen wäre. Dank KI wird es künftig zu noch viel mehr bahnbrechenden SaaS-Entwicklungen kommen, die gesamtwirtschaftlich zudem gleichmäßiger verteilt sein werden.
Welchen Rat haben Sie für Unternehmen, die KI für sich nutzen wollen?
Aktuell stellen wir riesige Produktivitätsunterschiede zwischen Unternehmen fest, die KI nutzen, und solchen, die das noch nicht tun. Denn in allen Branchen kann KI die Produktivität pro Zeiteinheit drastisch steigern. Wenn man sich seine Ziele für die nächsten drei oder fünf Jahre vor Augen führt, kann man die mit dieser Technologie also deutlich schneller erreichen.
Was hat Sie dazu gebracht, ganz zu Anfang in Stripe zu investieren?
Stripe will den Zahlungsverkehr einfacher machen. Und ich habe ein enormes Wachstumspotenzial darin erkannt, dass Onlinezahlungen schneller, günstiger, besser und einfacher werden. Stripe hat es übrigens geschafft, sämtliche Erwartungen nochmal zu übertreffen.
Wie stellen Sie sich die Verbindung zwischen GPT-4 und dem Stripe Integration Builder genau vor?
Aktuell überlegen wir noch, wie genau eine Zusammenarbeit aussehen könnte. Wir probieren verschiedene Versionen aus, um die Kundenwünsche noch besser zu verstehen. Ist ein zentraler Chatbot für sämtliche Abläufe besser? Oder doch besser mehrere Chat-Möglichkeiten an verschiedenen Stellen? Außerdem ist uns das Thema Datenschutz sehr wichtig, da wir um den hohen Stellenwert von Privatsphäre und sensiblen Daten wissen. Deshalb sammeln wir auch keine Daten, die über die API eingegeben werden. Und wir wollen, dass die Unternehmen unsere Tools nutzen können, ohne sich darüber Sorgen zu machen, dass wir Ihre Daten zur Optimierung unserer Modelle verwenden.
Unser Anspruch ist es, die Leute davon zu überzeugen, wie viel sie für wenig Geld bekommen. Wir wollen das Modell intelligent, simpel und auf lange Sicht stabil machen. Denn so können wir der gesamten Technologiebranche einen enormen Schub verleihen.
Das ungekürzte Gespräch zwischen John Collison und Sam Altman finden Sie hier.
Stripe will geschäftliche Transaktionen vereinfachen. Da erkannte ich ein enormes Wachstumspotenzial, denn so wird Einkaufen schneller, günstiger, besser und einfacher.